Stepantsminda
Aufstieg zum Gergeti-Gletscher
Endlich wieder Berge! Nach unserem kurzen Ausflug nach Gori, ging es für uns zurück in den Kaukasus. Wir waren vorher nicht wirklich die “Berg-Menschen”. Bisher zog es uns meist an Strände, in Städte oder in den Dschungel. Aber durch unsere Erfahrungen in der Slowakei und in Georgien haben wir das Gebirge lieben gelernt. Klar, es ist um einiges anstrengender, als sich ans Meer zu legen oder eine Sightseeing-Tour zu machen. Man ist auch oft am Fluchen, ja, manchmal gar am Verzweifeln, wenn hinter der nächsten Anhöhe, ein noch steilerer Aufstieg zum Vorschein kommt. Aber schafft man es an sein Ziel, wird man von Glückshormonen nur so überflutet.
Wir hatten uns für unsere erste Wanderung von Stepantsminda aus, etwas Besonderes ausgesucht. Das erste Mal in unserem Leben, wollten wir einen Gletscher aus nächster Nähe sehen. Also ging es für uns über 1.200 Höhenmeter in 6 km zum Gergeti-Gletscher am Fuße des Kazbeks. Laut griechischer Mythologie wurde einst Prometheus an diesen sagenumwobenen Berg gekettet und ein Adler fraß täglich einen Teil seiner Leber.
Das erste Mal auf über 3.000 Metern
Wir fuhren mit dem Auto bis zur Gergetier Dreifaltigkeitskirche, eines der bekanntesten Wahrzeichen Georgiens und begannen von dort aus unseren Aufstieg. Es ging direkt steil einen Bergkamm hinauf, der schon jetzt eine grandiose Aussicht bot. Man war hier umgeben von massiven Gebirgsketten, hinter denen Stück für Stück mit jeden erklommenen Höhenmeter noch gewaltigere schneebedeckte Berge auftauchten. Im nicht weit von uns entfernten Tal neben uns, sahen wir eine riesige Schafherde und hofften, dass es der kaukasische Owtscharka, ein großer bulliger Hirtenhund, nicht auf uns abgesehen hatte. Man hatte uns schon des Öfteren vor Begegnungen mit diesen Hunden gewarnt, da diese Rasse ihren Job sehr ernst nimmt. Gezüchtet wurden sie, um in den rauen Bedingungen des Kaukasus bestehen zu können und um es im Notfall sogar mit Bären aufzunehmen. An der Kirche hatten wir jedoch einen Straßen-Owtscharka kennengelernt, der wirklich sehr lieb war. Aber der hatte natürlich auch gerade keine Herde zu bewachen.
Ein relativ schwerer und steiler Anstieg führte uns über einen felsigen Bergrücken. Von hier sahen wir den Gletscher das erste Mal. Wahnsinn. So nah und doch so fern. Es lagen immer noch knapp 3 km und 1,5 Stunden vor uns. Vorbei an einer Berghütte, donnerte vor uns ein Wasserfall hinab in die Schlucht. Einige schwierige Stellen, an denen man über reißende Gebirgsbäche gelangen musste, erforderten einiges an Geschick, die richtigen Steine zu erwischen und mit dem nächsten Satz ans andere Ufer zu springen. In Höhe des Wasserfalls wurde es mit jedem Schritt anstrengender. Wir hatten die 3.000er-Grenze überschritten. Unsere Kondition entsprach inzwischen der einer Tiefkühlpizza. Die letzten paar hundert Meter lagen vor uns und man musste gefühlt alle 10 Schritte eine Pause einlegen. Doch nun hatten wir es tatsächlich geschafft. Das erste Mal standen wir nicht nur vor, sondern direkt auf einem Gletscher! Ein Wahnsinnsgefühl! Die Anspannung vom Aufstieg fiel augenblicklich von uns ab und wir waren in diesem Moment einfach nur glücklich. Wir standen auf 3.303 m über dem Meeresspiegel. So hoch oben war bisher noch keiner von uns beiden. Der Kazbek sah von hier trotz der großen Höhe noch gewaltig aus. Bei einem kurzen Spaziergang auf dem Gletscher, kannte unsere Euphorie keine Grenzen mehr.
Das Ende eines perfekten Tages
Mächtig stolz traten wir den Rückweg an. Aber auch das war nicht so einfach. Da es wirklich teilweise sehr steil war, rutschte man immer wieder auf Geröll und sandigem Boden aus. Dieser Ausflug kostete unglaublich viel Kraft, gab einem aber auch mindestens genauso viel zurück. Kurz vor der Gergetier Dreifaltigkeitskirche trafen wir noch einen netten Österreicher, mit dem wir spontan noch eine Kleinigkeit essen gingen und auf unseren perfekten Tag anstießen. In dieser sehr gemütlichen Bar unter freiem Himmel, saßen wir nun mit Abendessen und Feijoa-Limonade am Lagerfeuer. Ein ebenso perfekter Ausklang. Später in unserer Unterkunft unter den Bettdecken, ließen wir unser Abenteuer noch mehrere Male Revue passieren und es machte uns überhaupt nichts aus, dass wir uns dabei ständig wiederholten.
Truso Gorge - Ein Tal, wie gemalt
Am nächsten Tag fuhren wir von Stepantsminda aus nach Almasiani, wo unweit der Seilbahnstation eine Straße nach rechts ins Truso Tal führt. Okay, Straße ist, wie so oft in Georgien, übertrieben. Staubiger Sandweg trifft es eher. Je weiter man fuhr, desto größer wurden die Schlaglöcher. Wir neigen dazu, bei Fifty-Fifty-Entscheidungen oft daneben zu liegen. So auch bei der Wahl zwischen zwei Möglichkeiten zu unserem Ziel zu gelangen. Wobei wir diesmal logischer an die Sache heran gingen, als bei dir der Entscheidung für den Zagari-Pass in Uschguli. Ein Weg endete auf Google-Maps abrupt und war auch in unserer Wanderkarten-App ab dort nur als schmaler Wanderweg eingezeichnet. Die andere Route war laut Google ein befahrbarer Bergpass, was für uns Grund genug war, diese Variatne zu wählen. Leider mal wieder ein Fehler. Fifty-Fifty halt.
Anstrengende Fehlentscheidung
Ein steiler felsiger Anstieg führte uns anschließend mitten durchs Dickicht, sodass wir teilweise aussteigen mussten, um Äste aus dem Weg zu biegen, größere Steine zur Seite zu schleppen oder den nächsten Abhang zu begutachten. Kurz von Ende des Passes, das Ziel bereits vor Augen, entschieden wir uns das Auto auf einer der letzten Serpentinen stehen zu lassen. Die vor uns liegende nur aus großen Felsbrocken und rutschigem Geröll bestehende Kurve hatte nämlich bedenklich heftiges Gefälle. Wir waren uns daher nicht sicher, ob wir diesen Abhang auf dem Rückweg wieder hoch kommen würden -Trotz 4×4. Also liefen wir den Rest. Wir blickten in dieses wunderschöne Tal, das Bob Ross nicht hätte schöner malen können. Links und rechts gewaltige Bergketten, dazwischen saftige Wiesen mit weidenden Kühen und Schafen und in der Mitte der Fluss Terek, der sich sanft rauschend durch das Tal schlängelte. Von dieser Schönheit abgelenkt, wären wir auch noch fast auf eine Schlange getreten. Aber nach dieser Straße, konnte uns so leicht nichts mehr schocken. Unten angekommen fiel uns direkt auf, dass es hier hin auch Marschrutkas und andere Fahrzeuge schafften. Sogar ein paar LKWs waren auf dem Weg zu einer weiter entfernten Baustelle durch das Tal unterwegs. Die können auf keinen Fall über den Pass gekommen sein, den wir gefahren waren. Es musste also doch einen leichteren Weg hierher geben.
Im Hier und Jetzt, umzingelt von Kühen
Ein paar Kilometer flussaufwärts, setzten wir uns ans Ufer und genossen einfach mal das Hier und Jetzt. Nicht zum ersten mal auf unserer Reise, dafür hier wieder besonders intensiv, realisierten wir, was das alles für uns bedeutet. Die Reise, der Ort an dem wir uns befanden, die Geräusche und Gerüche, das Gefühl jetzt gerade in diesem Moment. Wir könnten gerade auch genau so gut zu Hause auf der Couch oder auf der Arbeit sitzen. Stattdessen genossen wir gerade hier, mitten in Georgien, in der Natur mit umwerfender Umgebung genau diesen Augenblick. Einfach unbeschreiblich schön. Gedankenversunken realisierten wir plötzlich, dass wir mittlerweile von Kühen umgeben waren, die genau diese Stelle des Flussufers als ihren Trinkplatz auserkoren hatten. Wir wollten nicht weiter stören und setzten unseren Weg fort. Später Kreuzte noch eine kleine Gruppe zutraulicher Esel unseren Weg. Aufgrund zahlreicher Mineralquellen, schillern viele Plätze im Truso Tal in roten und gelben Farbtönen. Zusammen mit dem Grün der Wiesen und dem blauen Himmel konnten wir uns kaum satt sehen. Leider nahm die Anfahrt über den Bergpass dermaßen viel Zeit ein, dass wir den Rückweg früher als geplant antreten mussten.
Der Rückweg - Probe aufs Exempel
Ein Ulmer Pärchen, das den Weg hierher mit ihrem Unimog geschafft hatte, gab uns den Tipp, den anderen Weg für die Rückfahrt zu nehmen. Nicht nur, um das Auto auf dem Rückweg zu schonen, sondern auch um die Probe aufs Exempel zu vollziehen, was unsere Fifty-Fifty-Schwäche anging. Wir stiegen also hinauf zu unserem Auto, ließen den Wagen die restlichen Serpentinen mehr herunter rutschen als fahren und schlugen schließlich den anderen Pfad ein. Und sie hatten Recht. Obwohl die Route auf der Google-Karte nicht eingezeichnet war, kamen wir doppelt so schnell voran. Sicher, immer noch weit davon entfernt, um als Straße bezeichnet werden zu können, aber um Längen angenehmer, als der Hinweg. Auch hier war die Landschaft atemberaubend. Massive Basalt-Felswände, die auf der anderen Flussseite über eine Schlucht und auch teilweise direkt über der Straße hingen, begleitet von Bäumen in hübschen Herbstfarben.
Das Truso Gorge ist in der bereits sehr gut touristisch erschlossenen Region um Gudauri und Stepantsminda noch ein echter Geheimtipp. Sehr schade, dass wir nicht genügend Zeit hatten, noch weiter in das Tal hinein zu wandern. Es war ein absolutes Highlight unserer Georgienreise!