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Istanbul

Schlaflos im Nachtbus

Die 10-Stunden-Fahrt von Denizli nach Istanbul war der Horror. Die Sitze waren zu hart zum Schlafen und Fußstützen, die die Beine entlastet hätten, gab es nicht. Teilweise lagen wir abwechselnd auf dem Boden unter den Sitzen, um wenigstens minutenweise Schlaf zu bekommen. Allerdings gefiel es dem Busbegleiter, der während der Fahrt Getränke und Snacks verteilte, anscheinend nicht. Er bat uns wieder auf den Sitzen Platz zu nehmen.

Um 5:30 Uhr erreichten wir Istanbul. Bei einem ersten Stopp auf der asiatischen Seite dieser riesigen Stadt, stiegen wir völlig verpeilt erst einmal aus. Zum Glück bemerkte der Busbegleiter unseren Fehler und schickte uns wieder in den Bus. Denn von dort aus dauerte es nochmal ein einhalb Stunden bis zum eigentlichen Ziel, dem Busbahnhof “Enseler” von Istanbul. Dieser ist mehrstöckig, alt, unübersichtlich und irgendwie gruselig.

Der Fahrkartenautomat hat uns verarscht

Nach längerer Suche fanden wir schließlich die Metro, mit der wir ins Stadtinnere fahren konnten. Wie bereits in Antalya musste man sich vor der Fahrt eine Prepaid-Fahrkarte kaufen und mit Guthaben aufladen. Beides erhielt man hier an Automaten. Was wir nicht ahnten: Die Geräte gaben kein Wechselgeld. Wir wollten ursprünglich mit einem 50 Lira Schein bezahlen, den hat der Automat jedoch nicht angenommen. Leider hatten wir nur noch größere Scheine parat. So zahlten wir versehentlich 100 türkische Lira, umgerechnet über 30 Euro ein. Wir konnten nun also jeeede Menge mit den öffentlichen Verkehrsmitteln fahren.

Während unserer Fahrt, mussten wir einmal umsteigen und erreichten endlich den Taksim-Platz. Von hier aus liefen wir noch 15 Minuten zu unserer Unterkunft.

Wie Yin und Yang

Die Wohnung von Daniel und Alejandro, in der wir ein Zimmer gemietet hatten, lag in der Nähe des Künstler- und Szeneviertels Karaköy und hatte einen wirklich tollen Blick auf den Bosporus. Daniel kommt aus Mexiko, ist Grafikdesigner für ein mexikanisches Magazin und kann quasi von überall auf der Welt aus arbeiten. Außerdem ist er Sänger. Sein Partner Daniel, urprünglich aus Argentinien ist Choreograf und Tänzer, arbeitet aber in der Türkei als Tourguide für spanischsprachige Touristen. Eigentlich wollten wir eine Wohnung für uns allein, aber wir hatten beim Buchen übersehen, dass wir nur ein Zimmer in einer bewohnten Unterkunft gemietet hatten. Aber mit den beiden haben wir es wirklich gut getroffen. Sie waren nicht nur ausgesprochen nett und gastfreundlich, sondern ließen uns auch genügend Freiheiten.

Ein Manko war jedoch das Bett, das eigentlich nur eine schmale Klappcouch war, die selbst für eine Person fast zu eng gewesen wäre. Für eine optimale Platzausnutzung, schliefen wir wie Yin und Yang, die Füße des anderen jeweils neben dem Kopf. Nicht besonder bequem, aber irgendwie ging es.

Burger bei einem Internetphänomen

King war bereits am Vorabend mit dem Flugzeug in Istanbul gelandet. Trotz ernormer Müdigkeit trafen wir uns noch einmal für ein Abschieds-Mittagessen. Denn am Abend ging sein Flieger zurück nach Hong Kong. Sein Hostel war nicht weit von unserer Unterkunft entfernt, also holte er uns ab und spielte ab da unseren Tourguide. Schon am Anfang seiner Türkeireise verbrachte er ein paar Tage in Istanbul und erweckte daher fast den Eindruck eines Einheimischen. Mit der Tram ging es über das Goldene Horn, einen Seitenarm des Bosporus, hinüber in den Stadtteil Eminönü.

Von hier liefen wir zum Großen Basar, an dessen Rand sich das Restaurant Nusr-Et befindet. Inhaber ist Nusret Gökçe, besser bekannt als Saltbae. Berühmt wurde der gelernte Fleischer durch Internetvideos, in denen er auf spezielle Art hochwertiges Fleisch zuschneidet und zubereitet. Seine markanter Armbewegung beim anschließenden Salzen, verlieh ihm seinen Spitznamen. Eigentlich machen wir uns aus solchen Hypes nicht allzu viel, aber da es King’s Wunsch und sein letzter Tag in der Türkei war, begleiteten wir ihn natürlich gern. Wir bestellten den Nusr-Et-Burger. Der Preis, der vielleicht einen Tick über deutschen Verhältnissen lag, war es aber alle mal wert. Er schmeckte wirklich unfassbar gut. Gesättigt gingen wir nun zurück zum Basar, um ein paar Souvenirs und Süßigkeiten für King’s Familie zu besorgen.

Auf dem Rückweg zu unseren Unterkünften, tranken wir noch einen türkischen Kaffee. An unserer Straßenbahnhaltestelle folgte die dritte, aber diesmal vorerst letzte Verabschiedung von King. Wieder verbrachten wir einen wirklich schönen Tag mit diesem verrückten Vogel. Es hat mega Spaß gemacht mit ihm Zeit zu verbringen und wir versprachen, uns in Hong Kong wieder zu sehen. Den restlichen Tag verbrachten wir in der Wohnung und gingen nur noch einmal zum Abendessen vor die Tür. Wegen der schlaflosen Anreise, fielen wir sehr früh in unser viel zu enges Bett.

Ein weiteres Wiedersehen

Shanti, der liebenswürdige Inder, den wir in Kappadokien kennenlernten und in Antalya wiedertrafen, war inzwischen ebenfalls in Istanbul. Also fuhren wir am nächsten Tag in den Stadtteil Sultanahmet und liefen zu seinem Hostel. Auf dem Weg dorthin vorbei an Hagia Sofia und Blauer Moschee sangen die Muezzine über die etlichen Minarette einen überlauten Gebetsruf-Kanon. Hörte der eine auf, fing der andere wieder an, gefolgt vom nächsten. Wir bemerkten hier das erste Mal, dass Istanbul wirklich anstrengend ist. Nicht nur wegen der Geräuschkulisse, sondern wegen der unfassbar vielen Menschen. 15 Millionen Einwohner sind schon eine echte Hausnummer und Hunderttausende tummelten sind in der Innenstadt. Das Gewusel und das eilige Hin und Her konnte schon wirklich sehr nervig sein. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir aufgrund unserer Schlafsituation immer noch nicht wirklich erholt waren.

Shanti war zusammen mit Sullayman in Istanbul, den er nach unserer Abreise in Kappadokien kennenlernte. Sullayman kommt ursprünglich aus Äthiopien, lebt aber seit Jahren in Seattle. Wir nahmen die Tram nach Karaköy und spazierten durch die vielen bunten Gassen. Fast alle Wände sind hier geziert von tollen Graffitis. Viele von ihnen sind echte Kunstwerke. Nach einem kleinen Mittagssnack besuchten wir unsere allererste Moschee. Die Kılıç-Ali-Pasha-Moschee wurde zwischen 1578 und 1580 erbaut und ist wirklich wunderschön. Sullayman, der Muslim ist, war überrascht, dass wir noch nie vorher eine Moschee betreten hatten und wollte uns nun noch ein ganz besonderes Gebetshaus zeigen.

Die größte Moschee der Türkei

Wir fuhren zurück nach Eminonü, von wo aus etliche Fähren hinüber zum asiatischen Teil Istanbuls fahren. Im Fähr-Terminal tummelten sich unglaublich viele Menschen auf engstem Raum. Alle hatten es scheinbar eilig und drängelten in der überfüllten Wartehalle in Richtung verschlossenener Tür zum Anlege-Kai. Echt nichts für Menschen mit Klaustrophobie. Uns gingen Szenen aus Titanic durch den Kopf, wo die Menschen der dritten Klasse nicht durch die Gittertüren gelassen wurden. Nur wollte man hier nicht runter, sondern auf das Schiff. Endlich legte die Fähre an, schüttete hunderte Menschen aus und die Türen öffneten sich.

Angekommen auf der asiatischen Seite, war es nicht ganz einfach den richtigen Bus zu finden. Hier fuhr zwar nur die Nummer 15, allerdings gab es neben Bussen mit 15A bis 15Z auch 15er-Busse mit Kombinationen aus zwei Buchstaben. Wer auch immer sich dieses System ausgedacht hat, schien alle anderen Zahlen außer die 15 zu hassen. Unser Bus war jedenfalls 15C. Nach etwa 40 Minuten Fahrt erreichten wir die größte Moschee der Türkei. Das beeindruckende und gigantische Bauwerk bietet Platz für 63.000 Menschen. Fertiggestellt wurde sie erst im März 2019. Ein offizieller Name steht noch nicht fest, daher wird sie zur Zeit noch wie der Stadtteil, Camlica-Moschee genannt. Der Zugang zu den öffentlichen Toiletten glich eher der Lobby eines Hotels, oder einer Flughafenlounge. Einfach alles war riesig und modern. Wie schon in der ersten Moschee, zogen wir unsere Schuhe vor dem Betreten der Gebetshalle aus. Monique bedeckte ihr Haar mit einem Tuch und ich lieh mir am Eingang einen Sarong, um meine kurzen Hosen zu verdecken. Monique betrat den separaten Frauenbereich, der jedoch im Vergleich zu anderen Moscheen ebenfalls riesig war und drei Stockwerke bis unter die Hallendecke hatte. Während Sullayman zum Gebet eilte, beschritten Shanti und ich den samtweichen Teppich, über dem sich die 72 Meter hohe Hauptkuppel erhebt. Das besondere für uns in dieser Moschee: Nicht-Muslime müssen hier während des Gebets das Gebäude nicht verlassen. So konnten wir diese einmalige Atmosphäre aufsaugen. Nach dem Gebet trafen wir uns alle auf der weitläufigen Terasse der Moschee wieder und genossen den abendlichen Ausblick, den wir von hier oben auf Istanbul hatten.

Es war Shanti’s letzter Abend, bevor er am nächsten Tag zurück nach Indien flog. Zurück auf der europäischen Seite, tranken wir zum Abschied noch einen Tee. Besonders Shanti haben wir in unser Herz geschlossen. Er hat eine von Grund auf positive Einstellung und Sicht auf die Dinge und ist einfach ein herzensguter Mensch. Auch mit ihm verbrachten wir tolle gemeinsame Tage.

Ruhige nächste Tage und das Schwupoki-Gütesiegel

Die nächsten Tage verbrachten wir überwiegend in der Wohnung, um endlich die letzten Arbeiten an unserer lang geplanten Webseite fertig zu stellen. Nach draußen ging es nur zum Essen und einmal zum Frisör. In der Nähe des Galata-Turmes startete ich (Chris) das Abenteuer “Haare schneiden mit Sprachbarriere”. Ich zeigte dem Frisör ein Bild aus dem Internet, wie ich mir meinen Haarschnitt ungefähr vorstellte und schon ging es los. Mit äußerster Präzision und erstaunlicher Geschwindigkeit zauberte er ein mehr als zufriedenstellendes Ergebnis. Selten war ich so zufrieden! Anschließend wurde ich das erste Mal mit einem richtigen Rasiermesser rasiert. Von Daniel und Alejandro erhielt ich später das Schwupoki-Gütesiegel. Für alle, die die Serie “How I met your mother” nicht kennen. Schwupoki bedeutet “Schwules Paar ohne Kinder”, deren Meinung in Stylingfragen sehr geschätzt sein soll.

Planloses Sightseeing am Tag der Republik

Am nächsten Tag waren wir das erste mal ohne Begleitung in Istanbul unterwegs. Wir hatten uns eigentlich die bekanntesten Sehenswürdigkeiten, wie unter anderem die Hagia Sofia, die Blaue und die Süleymaniye-Moschee vorgenommen. Allerdings war es der 29. Oktober, der Tag der Republik. Die Türkei feierte das 96. Jubiläum ihres Gründungstages. Das bedeutete jedoch auch, dass nicht nur Touristen, sondern auch viele viele Einheimische in die Innenstadt strömten. Die also so schon überlaufenden Straßen und Plätze, waren noch voller als sonst und vor allen Attraktionen bildeten sich schier endlose Warteschlangen. Wir beschlossen uns stattdessen einfach so durch die Straßen treiben zu lassen. Relativ planlos kamen wir letztendlich wenigstens bei der Süleymaniye-Moschee an, ein ebenfalls beeindruckendes Gebetshaus, dass zwischen 1550 und 1557 erbaut wurde. Der Besucheransturm hielt sich in Grenzen, sodass wir uns kurz das imposante Innere anschauen konnten.

Am Abend gab es noch ein kulinarisches Highlight für uns. Von einem Einheimischen aus einem Süßwarengeschäft am Großen Basar wurde uns das Steakhaus von Gürkan Şef empfohlen. Und er sollte Recht behalten. Nach zwei butterweichen Steaks mit Kartoffelecken und gebratenem grünem Spargel mit Pesto und Parmesan, erwartet uns noch ein Gratis-Schokoladend-Dessert mit frischem Obst, das mit einer Show aus Trockeneisnebel serviert wurde. Manchmal brauch man halt auch mal etwas für die Seele, auch wenn es ausnahmsweise mal etwas teurer war. Danach ging es zurück in die Wohnung.

Eigentlich wollten wir an diesem Abend nicht noch einmal raus gehen, doch ein ohrenbetäubendes Knallen in der Ferne, lockte uns zunächst ans Fenster. Ein spektakuläres Feuerwerk direkt über dem Bosporus, lies uns dann doch noch einmal hinaus auf die Straße eilen. Für mindestens 20 Minuten stiegen von mehreren Schiffen auf dem Wasser unzählige Raketen in die Luft, die riesige farbenfrohe Leuchtbälle in den Himmel zauberten. Es war eines der atemberaubendsten Feuerwerke, die wir je gesehen hatten. Nachdem das letzte Glitzern am Firmament verblasst war, ertönten sämtliche Signalhörner aller Schiffe auf dem Bosporus. Ein echter Gänsehautmoment.

Auf Wiedersehen Türkei

Den letzten Tag nutzten wir nur noch für organisatorischen Kram, wie Wäsche waschen und Besorgungen für unsere Weiterreise. Denn es war Zeit Istanbul und somit auch die Türkei zu verlassen. Die Türkei hat bei uns wirklich Eindruck hinterlassen. Wenn man die Politik mal außen vorlässt und sich diesbezüglich zurück hält, ist dieses Land eine ganz klare Reiseempfehlung! Vor allem die grenzenlose Freundlichkeit der Türken hat es uns angetan. Aber auch die wundervollen Landschaften sind allemal eine Reise wert. Wir kommen gern wieder.