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Lwiw

Holpriger Start im neuen Reiseland

Lwiw oder, wie es im Deutschen heißt, Lemberg, ist wirklich mehr als sehenswert. Aber beginnen wir ganz am Anfang. Wir hatten zugegebener Maßen einen etwas holprigen Start in die Ukraine.

Schon als man am Bahnhof in Košice in den Zug der ukrainischen Eisenbahngesellschaft stieg, war man quasi schon in der Ukraine. Ein ruppiger Zugbegleiter war mit uns scheinbar irgendwie unzufrieden, obwohl wir uns immer freundlich verhielten. Was seinerseits zu bemängeln war, haben wir leider nicht herausfinden können, da ausschließlich auf Ukrainisch gemeckert wurde. Egal. Der Zug war übrigens ein Nachtzug. In einem eigenen kleinen Abteil, hatten wir Betten, auf denen wir es uns gemütlich machen konnten. Obwohl der Zug schon einige Jahrzehnte auf dem Buckel hatte, gibt es definitiv schlechtere Arten zu reisen. Die Passkontrolle an der Grenze verlief reibungslos. Wir hatten uns noch gewundert, dass für ca. 380 km Strecke mit dem Zug fast 10 Stunden benötigt werden. Doch kurz nach dem Grenzübergang wurde uns klar warum. Ungefähr zwei Stunden fuhren wir im Bahnhof von Tschop hin und her, begleitet von regelmäßigen Rucks und mechanischem Krach. Grund dafür war, dass die Schienen der ehemaligen Sowjetunion eine weitere Spurbreite haben und der Zug hier passend umgespurt werden musste. Als es schließlich weiter ging dämmerte es bereits.

In Lwiw angekommen, waren wir erstaunt, wie viele Menschen sich mitten in der Nacht im Hauptbahnhof herumtrieben. Viele hielten sich in der Haupthalle auf mit Blick auf die gewaltige Anzeigetafel. Einige schliefen am Rand an die Wand gelehnt oder auf dem Boden. Bei manchen waren wir uns fast sicher, dass sie aufgrund ihrer Obdachlosigkeit hier “wohnten”. Wir verließen den Bahnhof und riefen uns ein Uber-Taxi. Der Fahrer donnerte mit bis zu 100 km/h auf Kopfsteinpflaster mit uns durch die Stadt zu unserem Hostel. Er schaffte die 15-Minuten-Strecke in unglaublichen 7 min – Respekt, Nahtoderfahrung inklusive.

Im Hostel wurden wir noch unfreundlicher empfangen, als im Zug. Auch hier wurde ausschließlich Ukrainisch gesprochen. Und das ist auch überhaupt nicht schlimm. Dass man nicht dieselbe Sprache spricht, dafür können beide Seiten nichts. Aber man merkt definitiv, ob sich jemand Mühe gibt, dass sein Gegenüber einen versteht oder nicht. Statt zu versuchen mit Händen und Füßen sein Anliegen darzustellen, wurde nur entgeistert mit den Augen gerollt, nach dem Motto: “Wie können die es wagen, meine Sprache nicht zu sprechen.” Wir waren etwas zu früh im Hostel und fragten, ob wir zwei Stunden im Aufenthaltsraum warten dürften. Pustekuchen: Es wurde vehement auf die Check-In-Zeit verwiesen und auf die Tür gezeigt. Wie zwei Köter, wurden wir wieder auf die Straße gescheucht. Echt schade, wenn so etwas den ersten Eindruck in einem neuen Reiseland ausmacht.

Umgeben von Katzen

Am nächsten Tag sah die Welt schon wieder ganz anders aus. Lwiw offenbarte sich als eine wunderschöne Stadt. Zunächst ging es für uns ins Cat Café Lwiw. Katzencafés sind keineswegs eine Neuheit und auch nichts speziell ukrainisches. Da aber vor allem Moni schon immer mal in solch einem Café einkehren wollte, frühstückten wir eben zwischen Katzen verschiedenster Rassen. Direkt über unserem Tisch, in einer Katzenhängematte, räkelte sich ein grauer Britisch-Kurzhaar-Kater, würdigte uns aber keines Blickes und schlief seelenruhig weiter – Katzen halt. Überall stromerten Stubentiger aller Art und Farben umher oder lagen entspannt in der Gegend herum. Als unser Frühstück serviert wurde, dauerte es nicht lange und ein ziemlich aufdringlicher Zeitgenosse versuchte sich etwas von unseren Tellern zu stibitzen. Er hielt anscheinend wenig von den Regeln, die man vor der Bestellung zu lesen hatte. Diese untersagten zum Beispiel die Katzen zu füttern. Aber nicht mit uns! Nach etwas “Überzeugungsarbeit” verließ er schließlich unseren Tisch.

Nach dem Essen gesellte sich eine kleine Nacktkatze zu uns. Nach anfänglicher scheu, wurde sie jedoch warm mit uns, machte es sich auf dem Schoß bequem und schlief ein. Wir hatten vorher noch nie eine Nacktkatze gestreichelt. Ihre Haut war warm und weich. Irgendwie merkwürdig aber trotzdem niedlich. Neben dem wirklich leckeren Frühstück, war es hier total entspannend. Die ganze Atmosphäre um einen herum hatte etwas sehr beruhigendes – Eine tolle Erfahrung.

Die Perle der Westukraine

Weiter ging es in die Innenstadt zum Onuphrios-Kloster. Wir haben die Ukrainer als sehr frommes Volk erlebt. Oft standen die Gemeindemitglieder bei Gottesdiensten bis weit vor die Tür hinaus, wie auch hier beim Kloster. Und das, obwohl es in der Stadt wirklich nicht gerade wenige Kirchen gibt. Beim Betreten des Gotteshauses wird sich generell zuerst hingekniet oder es erfolgt ein kurzer Knicks, gefolgt vom Kreuzzeichen. Von Jung und Alt werden Abbildungen von Heiligen geküsst, wieder gefolgt vom Kreuzzeichen – Wobei hier die Anzahl der Wiederholungen nach oben hin offen scheint. Der Glaube hat hier definitiv einen hohen Stellenwert. Uns beeindruckten aber vor allem die wirklich prachtvollen Kirchengebäude. Imposante Deckengewölbe mit farbenfrohen Fresken. Mächtige Kronleuchter, die kunstvolle Goldverzierungen in würdiges Licht tauchen. Detailverliebte Schnitzereien an Altären und Statuen. All das versetzt uns immer wieder ins Staunen.

Auch sonst hat Lwiw viel zu bieten. Kein Wunder, vor allem in der Architektur spiegelt sich das Zusammenleben verschiedenster Bevölkerungsgruppen der letzten Jahrhunderte wider. Teilweise haben die vielen Gassen rund um das Rathaus sogar einen mediterranen Hauch. Das Ganze mischt sich dann noch mit alt-sowjetischem Flair, wenn vor Barock- und Renaissancefassaden einer der zahlreichen Ladas oder ein nur noch von Rost zusammengehaltener Bus vorbeirauscht. Für umgerechnet 1,40 Euro stiegen wir den 65 m hohen Rathausturm hinauf und hatten einen perfekten 360-Grad-Ausblick über die Stadt. Es machte so viel Spaß sich durch die Innenstadt treiben zu lassen.

Friedhof der Kuscheltiere

An jeder Ecke entdeckt man etwas Neues, teils kurioses, was man unbedingt noch vor die Linse kriegen möchte. Ein sehr gutes Beispiel für den Hang zu Kuriositäten, erwartete uns auf einem Hinterhof. Sehr merkwürdig und etwas gruselig mutete er an, aber irgendwie auch niedlich. Auf jeden Fall in Sachen Skurrilität ganz weit oben. Umgeben von bröckelnden sowjetischen Wohnhäusern, befindet sich der Friedhof der Kuscheltiere. Nicht besonders groß oder spektakulär, aber definitiv sehenswert. Von alten Puppen, über vergilbte Teddybären, bis hin zu riesigen Plüschlöwen. Sie alle wurden hier mehr oder weniger sich selbst überlassen und vegetieren bei jeder Witterung vor sich hin. Es ist nicht klar, wer diesen Ort betreut oder gar angelegt hat. Wie so oft, stellt sich die Frage: Ist das Kunst oder kann das weg. Wir haben die leicht gespenstische Atmosphäre jedenfalls genossen, da es mal etwas ganz anderes war, was wir so noch nie gesehen haben.

Freilichtmuseum Lwiw

Im Osten der Stadt liegt der Schewtschenko-Hain, ein weitläufiger Park, in dem schlagartig sämtliches Straßengewusel verstummt. In Mitten dieser Ruhe liegt auch das Freilichtmuseum für ukrainische Volksarchitektur und Landleben. Es erwarteten uns 150 überwiegend begehbare Bauwerke aus dem 18., 19, und 20. Jahrhundert.

Die meist aus Holz gezimmerten Hütten, Höfe, Ställe und Kirchen stammen nicht nur aus verschiedenen Jahrhunderten, sondern auch aus unterschiedlichen Regionen der Ukraine. Wer also die “ganze” Ukraine an einem Tag schaffen will, kann es hier gerne versuchen – wenn auch nur in der Vergangenheit. Besonders erwähnenswert ist die ursprünglich aus dem Dorf Krywko stammende Holzkirche von 1761. Sie sollte eigentlich abgerissen werden, da man sie in Krywko nach dem Bau einer neuen Kirche nicht mehr brauchte. Glücklicher Weise wurde sie jedoch hierher in das Museum versetzt und ist nun ein Kulturdenkmal von nationalem und europäischem Rang. Die Angestellten tragen teilweise traditionelle Tracht und bieten handgefertigte Kleidung, Schmuckstücke und Gegenstände zum Verkauf. Außerdem wird hier auch in den alten Öfen gebacken. Übrigens ein echter Hingucker, wenn die Trachten-Omi in ihrer Hütte von 1800 auf einmal zum Smartphone greift. Wir haben hier einen sehr schönen und interessanten Nachmittag verbracht und eine leckere Pilzsuppe mit Schmalzbroten gegessen. Und das alles für umgerechnet nicht mal 4 Euro pro Person. Ein Ausflug lohnt sich definitiv.

Essen im Bunker

Aufregend war auf jeden Fall, dass die Ukraine das erste Land auf unserer Reise mit fremder Währung und einem anderen Alphabet war. Es war oft etwas schwierig sich zurecht zu finden. Vor allem, wenn es keine Transkriptionen oder Übersetzungen gibt, wie zum Beispiel in Speisekarten. Wir haben es jedoch überwiegend ganz gut gemeistert. Das was wir serviert bekamen, schmeckte jedenfalls immer sehr lecker. Die Preise lassen es auch zu, mehrmals täglich essen zu gehen. Wir liebten es!

Apropos Essen: An einem Abend stand für uns etwas besonderes auf dem Plan. “Passwort!”, blaffte uns ein mit Maschinengewehr bewaffneter Soldat der ukrainischen Partisanenarmee entgegen. In einem unscheinbaren Hausflur irgendwo am Rynok Platz hatten wir an einer Art Holzverschlag geklopft, worauf uns eben dieser unangenehme Zeitgenosse entgegentrat. Gut vorbereitet, wie wir waren, antworteten wir synchron in voller Lautstärke: “Glory to the Ukraine!” Nach einer mürrischen Zustimmung des Wachmanns, griff er in das Bücherregal hinter sich, schob es zur Seite und offenbarte uns den geheimen Zugang zum Kryivka – Übersetzt so viel, wie “Versteck”. Uns erwartete ein Restaurant mit Bunkeroptik. An den Wänden hingen unter anderem alte Zeitungsartikel mit Berichten der Heldentaten der Partisanen, alte Radios und Funkgeräte und jede Menge anderer nostalgischer Kram. Das Gewölbe wurde nur spärlich von Bunkerlampen beleuchtet. Das Essen wurde hier zu ukrainischer Punk- und Polkamusik auf einfachem Feldgeschirr serviert. Ein echtes Erlebnis!

Fazit: Wir haben uns in diese wunderschöne Stadt verliebt. Mit all ihren hübschen Bauwerken verschiedenster Art und diesem gewissen Etwas, das doch so ganz anders ist. Und wir trafen hier tatsächlich auch doch noch auf nettere Menschen. Bis auf wenige Ausnahmen fühlten wir uns hier sehr wohl, ganz nach dem Stadtmotto: Lviv it!