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Lagodekhi

Kurzer Zwischenstopp in Tiflis - Happy Birthday Jasmin

Bevor es für uns weiter in die Natur ging, machten wir einen kurzen Zwischenstopp in Tiflis, um mit Jasmin ihren Geburtstag zu feiern. Nach Batumi und Uschguli, kreuzten sich unsere Wege nun bereits zum dritten Mal. Wir verbrachten einem sehr lustigen und Abend, mit Menschen aus Georgien, den Vereinigten Staaten, Turkmenistan, dem Iran, dem Irak, Deutschland und Österreich. So eine multikulturelle Geburtstatgsrunde hatten wir bisher auch noch nicht erlebt. 

Lagodekhi-Nationalpark - Unfassbare Natur

Am nächsten Tag fuhren wir weiter in den Nordosten des Landes. Hier, im Dreiländereck von Georgien, Aserbaidschan und Russland, befindet sich der Lagodekhi-Nationalpark.

Wieder einmal wurden wir sehr freundlich von unseren Gastgebern empfangen, inklusive selbstgemachtem Wein und Trauben aus dem Garten. Wir begaben uns zur Nationalparkverwaltung, um uns über alles wichtige zu Informieren. Zu unserer Überraschung sprach die nette Dame in der Touristeninformation fließend Deutsch. Sie erklärte uns, dass der Nationalpark zwar der älteste des Kaukasus ist, jedoch erst seit 2007 für Touristen zugänglich. Die Natur ist hier daher noch größtenteils unberührt. Man kann zwischen 4 verschiedenen Routen wählen. Zwei Routen führten zu Wasserfällen, dem Black Grouse und dem Ninoskhevi. Diese beiden und ein weiterer Weg zur mittelalterlichen Tamara-Festung eignen sich für Tagesausflüge. Die vierte Route führte zum Black Rock Lake auf 2.800 m Höhe direkt an der russischen Grenze. Hin- und Rückweg dauern 3 Tage. Wir entschieden uns als erstes für den Ninoskhevi-Wasserfall. Der Eingang zu diesem Parkabschnitt liegt 13 km von der Touristeninformation entfernt. Transfers dorthin werden unter anderem vom Park angeboten. Wir waren ja mit dem Auto unterwegs, also kein Problem für uns.

Ein Tag im Urwald

Dort angekommen, ging es direkt los. Der gesamte Weg führte uns durch einen Wald. Dieser war so anders, als die Wälder, die wir bisher sahen. Urzeitlich, unberührt und mystisch. Dazu einfach unglaublich grün. Wirklich überall saftiges Grün. An vielen Stellen waren sowohl Waldboden, als auch sämtliche Baumstämme von dichtem Blattwerk alles überwuchernder Schlingpflanzen bedeckt. Meterlange Lianen hingen von den Baumkronen herab und pelzige Moosgewächse verschlangen ganze Felsbrocken. Stets begleitet vom Ninoskhevi-Fluss ging es gemächlich bergauf. Einige wenige knifflige Stellen, an denen der Weg über einzelne Steine im Flussbett führte oder ein Anstieg durch kurze Klettereinlagen überwunden werden musste, waren schnell gemeistert. Wir erreichten schließlich den 40 m hohen Wasserfall. Beeindruckend und wunderschön. Die Wassermassen donnern hier zunächst in ein etwas höher gelegenes Becken, wo die Sonne in der Gischt einen tollen Regenbogen zauberte. Danach ergießt sich ein kleinerer Wasserfall weiter hinab zwischen die Felsen, die den Fluss hinab ins Tal begleiten.

Insgesamt war unser Ausflug hierher eine entspannte Wanderung über fast 10 km mit etwa 400 m Höhenunterschied. Am Abend schauten wir noch einmal in der Touristeninformation vorbei. Denn in den nächsten Tagen sollte es für uns zum Black Rock Lake gehen.

Drei Tage in den Bergen

Kurz vor 10 Uhr standen wir pünktlich an der der Touristeninformation. Am Vorabend holten wir uns alle nötigen Informationen für die 3-Tages-Tour hoch hinauf zum Black Rock Lake. Das Besondere: Diesmal waren wir mit Pferden unterwegs. Die Tiere waren sehr ruhig und an Touristen und bergiges Gelände gewöhnt. Sie gehörten Rezo, unserem Guide, der uns in den nächsten 3 Tagen begleitete. Er verstaute unser Gepäck inklusive Essen für 3 Tage auf den Pferden und es ging los. Nach ein paar hundert Metern durch den Wald, überquerten wir einen Fluss, indem wir direkt durch das Wasser ritten. Das kannten wir bisher nur aus Filmen. Es ging weiter durch das saftige Grün des Waldes, stetig bergauf. Begleitet wurden wir von Rezos Hunden. Einem wachsamen Mix aus Husky und kaukasischem Owtscharka und einer verspielten jungen Dame, deren Rasse uns nicht bekannt war. Rezo sagte uns, dass sie zum Schutz gegen Bären dienen. Vor allem der Rüde machte seinen Job äußerst sorgfältig und überwachte stets die geamte Umgebung. Die Hündin war meist damit beschäftigt, den Hang auf und ab zu toben. Je höher wir kamen, desto mehr herrliche Herbstfarben kamen in den Baumkronen zum Vorschein.

Die erste Nacht in der Berghütte

Nach etwa 6 Stunden erreichten wir die Hütte, die für die Nacht unser Schlafplatz werden sollte. Sie bot Räume mit Doppelstockbetten mit erstaunlich bequemen Matratzen. Die Toilette, ein Holzverschlag über einem Loch im Boden befand sich etwas abseits. Wasser bekamen wir aus einer Quelle, ca. 200 m entfernt. Ein paar Wanderer aus der Schweiz, aus Deutschland, Brasilien und Polen stießen nach und nach zu uns. Rezo ist ein unglaublich gastfreundlicher Mensch. Wie bereits erwähnt, hatten wir Essen für 3 Tage dabei, wovon wir an diesem Abend nichts anrührten, da Rezo eine Suppe aus selbstgepflückten Pilzen, Zwiebeln, Knoblauch und Tomaten zauberte. Dazu gab es Brot, Käse, Wein und Chacha – ein georgischer Traubenschnaps. Er lud nicht nur uns, sondern auch alle anderen Wander zum Essen und trinken ein. Es war inzwischen Stockfinster. Wir saßen unter einem unfassbar klaren Sternenhimmel, die Milchstraße deutlich erkennbar. In den Wäldern um uns herum hörten wir das beeindruckende Röhren von Hirschen, deren Brunftzeit gerade begonnen hatte. Es war saukalt. Das Lagerfeuer wollte sich wegen des zu feuchten Holzes auch nicht so recht entzünden. Also zogen wir alle Klamotten an, die wir dabei hatten und verkrochen uns in unsere Schlafsäcke, die wir uns von der Nationalparkverwaltung geliehen hatten.

Tag 2 – Auf ins Grenzgebiet

Der nächste Morgen begrüßte uns zunächst mit Sonnenstrahlen. Nach einem Kaffee und ein paar Bissen von unserem mitgebrachten Brotlaib, stiegen wir wieder auf die Pferde. Die Landschaft war weiterhin malerisch. Gelbe, rote, braune und noch einige verbliebene grüne Blätter boten das perfekte Herbstbild in einer Kulisse aus Bergen und Tälern. Am Himmel sammelten sich nun immer mehr Wolken. Wobei Himmel hier zum Teil auch unter uns bedeutete. Man konnte hier problemlos über die unterste Wolkenschicht blicken. Unsere Pferde meisterten immer schwierigere Aufstiege. Es war einfach nur erstaunlich, was diese Tiere im Stande sind zu leisten. An ganz steilen, engen und felsigen Passagen entlang des Abhangs stiegen wir jedoch immer wieder ab, um die Pferde zu führen und zu entlasten. Wir erreichten einen Militärstützpunkt, bestehend aus einem großen Zelt mit ca. 10 georgischen Soldaten. Da wir uns dicht an der russischen Grenze befanden, wurde uns ein Passierschein ausgestellt. Kurz darauf, ging es weiter. Die Bäume waren längst Felsen und Steppen gewichen. Rezo’s Hündin hatte unglaublich viel Spaß, da sie hier verspielt auf die Jagd nach Nagetieren gehen konnte, während der große bullige Wachhund stets den Überblick behielt.

Bergseen, wie gemalt

Ein Abstecher zu einer Kette aus drei kleinen Seen, jeweils leicht höhenversetzt, offenbarte uns die gesamte Schönheit dieser Gegend! Glasklares Wasser umgeben von goldgelber Steppe. Kurz danach erreichten wir den Black Rock Lake. Ein See, wie gemalt, durch den die Landesgrenze verläuft. Links und rechts flankieren ihn 3.000 m Hohe Gipfel, geradeaus gewährt er freien Blick hinüber in die Russische Republik Dagestan. Nach einer kurzen Mittagspause ging es weiter zur Hütte für die nächste Nacht. Ein Holzhaus, mitten im Nichts auf ca. 2.600 m. Rundherum nichts als Steppe, Berge und jeder Menge Aussicht. Nach und nach erreichten auch die anderen Wanderer die Hütte. Am Abend, das gleiche Spiel wie in der letzten Unterkunft. Rezo stellte jede Menge Lebensmittel bereit und lud alle zum Essen ein. Mit Vorräten aus der Hütte kochten wir eine Art Eintopf aus Kartoffeln, Möhren, Rote Bete, Zwiebeln und Instant-Nudeln. Stolz öffnete Rezo sein persönliches Weinversteck ein paar Schritte neben der Hütte. Unter einer unscheinbaren Schieferplatte kam ein großes vergrabenes Tongefäß zum Vorschein, gefüllt mit etlichen Flaschen Wein und Chacha. Ein lustiger Abend ging zu Ende und eine stürmische Nacht begann.

Tag 3 - Der Rückweg und erbarmungslose Gastfreundlichkeit

Die ganze Nacht hatte es gewittert und gestürmt. Das Wetter hatte sich zwar zum Morgen gebessert, jedoch war es deutlich kühler und bedeckter als am Tag zuvor. Auf jeden Fall ungemütlich und feuchtkalt. Rezo sattelte die Pferde. Wir waren müde und der Wind blies uns auf dem Rückweg eisig ins Gesicht. Um uns herum wieder nichts als Steppe und Rezos Hunde. Wir erreichten den Militärstützpunkt, an dem wir auf dem Hinweg unseren Passierschein ausgestellt bekamen. Rezo kannte die Soldaten und so durften wir uns am Ölofen etwas aufwärmen. Was nun folgte war wieder einmal ein Beisiel für die großzügige Gastfreundschaft der Georgier. Allerdings gibt es hierbei ein kleines Problem: Sie kennen einfach kein Ende. Ein Nein wird nicht akzeptiert. Es dauerte keine 5 Minuten, da wurde die erste Flasche Chacha geöffnet. Eilig stellte man Essen und Tassen für uns bereit. Georgier lieben es auf alles Mögliche anzustoßen und dabei jeweils einen Toast auszusprechen. Vorwiegend trank man auf Familie und Georgien. Aber auch auf die Berge und die Natur, gefolgt von einem amtlichen Gagimardschos (Prost)! Zum Glück fiel es den Soldaten nicht auf, als wir nur bei jeder dritten Runde wirklich aus den Bechern tranken. So gelang es uns, nicht schon zur Mittagszeit sturzbetrunken zu sein. Im Gegensatz zu den Soldaten und unserem Guide. Nachdem die ersten 2 Stunden wirklich amüsant waren, machten wir uns nun langsam Sorgen, dass wir den Abstieg nicht mehr vor der Dunkelheit schaffen würden. Es lagen schließlich noch 6 Stunden Weg vor uns. Eine weitere Stunde verging, in der wir erfolglos versuchten die Soldaten und vor allem Rezo zu überzeugen, dass wir aufbrechen wollen. Es folgten Überredungsversuche, die nächste Nacht im Militärstützpunkt zu verbringen und Unverständniss, weshalb wir denn jetzt unbedingt gehen wollten. Erst als wir schon ziemlich sauer allein auf die Pferde stiegen und ein Soldat, der nicht mitgetrunken hatte, half Rezo aus dem Zelt zu bekommen, ging es endlich weiter.

Abstieg mit Zwischenfällen

Unser Guide war nun hackedicht! Er konnte sich gerade so auf seinem Pferd halten, hatte dabei jedoch bedenkliche Schieflage. Gerade in Passagen, an denen der Abgrund dicht neben uns verlief, schluckten wir teils heftig. Mit den Höhenmetern und dem Sonnenstand, sank jedoch auch allmählich sein Alkoholspiegel wieder. Um uns herum waren inzwischen wieder Bäume und es wurde etwas wärmer. Allerdings schien es Rezo nun irgendwie nicht mehr schnell genug zu gehen, sodass er entschied die Pferde der Reihe nach zusammenzubinden und ab da die Geschwindigkeit vorzugeben. Unsere beiden Hengste wurden also von seinem Pferd hinterher gezogen, kamen dadurch jedoch ständig ins Stolpern, sodass Moni darauf bestand, dass die Seile wieder entfernt werden. Leider band er nur eines los und lies das andere hinter seinem angebunden. Es kam, wie es kommen musste: Rezos Pferd hatte es an einer etwa 1,50 m hohen Felskante eiliger als meins und trabte rechts den Pfad herunter, während meins links vor der Kante Halt machte und gegen hielt. Als es drohte über den Rand gezogen zu werden, wählte ich den schnellsten Weg, sprang vom Sattel und fing mich mit der Hand auf dem Felsboden ab. Das Pferd sprang darauf die Felskante hinab. Eine blutende Schnittwunde am Handballen und ein paar wütende Marschminuten ohne Pferd später, hatten wir uns wieder abgeregt. Rezo, der die Pferde nun auch zu Fuß hinter uns herführte, schien es nicht allzu sehr zu interessieren. Inzwischen war er wieder relativ klar und stimmte zu, nun alle Pferde voneinander los zu machen und fortan wieder separat zu reiten.

Ankunft und Aufklärung

Mit der Dämmerung erreichten wir tatsächlich die Touristeninformation am Eingang des Nationalparks. Die nette Dame von der Rezeption, kam noch an den Pferden auf uns zu und erkundigte sich, wie es uns ergangen war. Ungefragt erwähnte sie Rezo’s Hang zum Alkohol. Wir bestätigten dies und erfuhren nun etwas mehr über sein Leben. Der Nationalpark unterstützt obdachlose und arme Menschen, indem sie im Nationalpark beschäftigt werden und so etwas Geld verdienen zu können. Rezo wohnt in einer Ruine ohne Fenster und fließend Wasser. Da er sich in dem Bergen bestens auskennt und Pferde besitzt, die Auf- und Abstiege, wie im Lagodekhi-Nationalpark meistern können, wurde er als Guide engargiert. Vom Geld, dass er hier verdient, bekommt er ein Drittel ausgezahlt. Der Rest wird von der Verwaltung für ihn für den Winter gespart, da er sonst alles an einem Abend für Alkohol ausgeben würde. Das Problem mit dem Trinken wird die Nationalparkverwaltung jedoch wahrscheinlich leider nicht mehr in den Griff bekommen. Uns wurde nun allerdings einiges klar. Warum Rezo so ist, wie er ist und dass er es wirklich nicht einfach hat. Dieses Projekt finden wir einfach toll, nur hätten wir uns gewünscht, früher davon erfahren zu haben. Denn dies half uns ungemein über die eine oder andere Sozialschwäche unseres Guides hinweg zu sehen und ihm für einige zu waghalsige Entscheidungen zu vergeben. Denn trotz seiner Armut und dem Hang zum Alkohol, ist und bleibt er ein unfassbar herzlicher und großzügiger Mensch und trägt das Herz am rechten Fleck.

Nach einer Dusche in unserer Unterkunft, aßen wir im Restaurant des Nationalparks zu Abend, als uns plötzlich zwei Humpen Bier serviert wurden. Kurz darauf klopfte es am Fenster und Rezo stand breit grinsend im Garten. Nach einem netten Versöhnungstrunk, begleitete er uns noch mit seinen 3 Pferden und den beiden Hunden im Schlepptau zu unserer Unterkunft. Mit einem versöhnlichen Ende und um eine wundervolle und intensive Erfahrung in der Wildnis reicher gingen wir todmüde ins Bett.